Als Kind war ich evangelische Christin,
deshalb, weil ich getauft wurde und somit der Kirche angehörte.
Ich nahm regelmässig am Religionsunterricht der Schule teil, besuchte
sogar begeistert Kindergottesdienste und sang viele Jahre im Kirchenchor.
Mit 14 Jahren wurde ich konfirmiert, damit hatte ich meine "Religionsfreiheit"
erlangt. Später in der Oberstufe nutzte ich diese und meldete mich
vom Religionsunterricht ab und wechselte zum Ersatzfach Philosophie, welches
sich ohne feste Glaubensrichtung mit Weltanschauungsfragen beschäftigt.
Eigentlich habe ich einen großen Teil des evangelischen Unterrichts
(den schulischen sowie den kirchlichen) als sehr positiv empfunden. Die
meiste Zeit war es eher eine Art "Sozialunterricht" - über
das Miteinander, über Konfliktlösungen etc. Auch empfand ich
es als sehr positiv, dass der schulische Unterricht Einblick in die Vielfalt
anderer Religionen und Weltanschauungen bot und es war für mich eine
wichtige Grundlage, um mich wirklich mit dem Glauben auseinandersetzen
zu können.
Auch empfinde ich viele Teile des Glaubens und der Lehren aus der Bibel
(vor allem die Lehren, die Jesus vermittelte) für mich als gültig
und richtig aber viele Aspekte passten in meiner Jugend nicht zu meiner
eigenen Weltanschauung.
Damals widerstrebten mir viele Bilder, die die christliche Lehre mir
vermitteln wollte einfach nur, heute jedoch betrachte ich diese Lehren
in einem anderen Licht und stelle fest, dass sie durchaus auch zu meiner
Weltanschauung passen, wenn auch nicht unter dem gleichen Glaubensaspekt.
Beispiel:
Als Jugendliche konnte ich mich mit dem Bild eines zwar gütigen aber
auch zornigen und rachsüchtigen Gottes nicht anfreunden - ein Gott,
der Feuer, Plagen und Sintfluten schickt, wenn wir Menschen uns schlecht
betragen. Diese Eigenschaften erschienen mir zu "menschlich".
Wenn ich mir aber heute anschaue, was um uns passiert, ist es doch im
Grunde genau das, was damals schon beschrieben wurde.
Wir handeln gegen die Natur, indem wir sie zerstören und ausbeuten
und die Natur rächt sich an uns mit Erdbeben, Sturmfluten und Vulkanausbrüchen.
Im Hexenglauben heisst es auch "alle Götter sind ein Gott und
alle Göttinnen sind eine Göttin" - ich glaube nicht, dass
es eine richtige und eine falsche Religion gibt. Die Hauptsache für
mich ist, dass wir uns nicht gegen das richten, aus dem wir entstanden
sind. Für mich ist das heute die göttliche Instanz oder auch
die Kraft, die Natur (im globalen Sinne).
Damals jedoch fühlte ich mich erstmal religionslos.
Ich war zwar keine Atheistin, denn ich glaubte ja nach wie vor an einen
Gott aber eben nicht in der Form, wie sie die Religionen, die ich kennenlernte,
vermitteln. So bezeichnete ich mich als "Freidenkerin" und machte
mir meine eigenen Theorien.
Das mache ich auch heute noch aber der Hexenglauben stimmt in den wesentlichen
Aspekten mit meiner Weltanschauung überein.
Dann fiel mir eines Tages in einer Buchhandlung zufällig ein Buch
in die Hände - ich suchte eigentlich etwas völlig anderes, aber
dieses Buch sprang mich quasi an. Es war ein Buch über Hexen. Ich
nahm es mit, las es, suchte im Internet nach Informationen und kaufte
weitere Literatur. Und ich war mir immer sicherer, daß dies dem
entsprach, was ich selber schon immer gedacht habe - ich fühlte mich
endlich "zu Hause", "angekommen nach langer Suche".
Wie ich als Hexe lebe
Zunächst einmal bin ich ein vollkommen "normaler" Mensch
(normal ist halt Definitionssache :-). Ich übe einen "bürgerlichen"
Beruf aus, und habe zwei Töchter, die ich im übrigen taufen
liess, damit sie - wie ich - die Möglichkeit haben, verschiedene
Religionsansichten kennenzulernen - und später frei wählen können.
Ich unternehme gerne viel mit Freunden und Bekannten und meine Hobbys
sind vielseitig. Neben Computer und Internet in der Hauptsache Musik machen,
Modellbau und Rollenspiele - aber ich lese auch gerne gute Bücher
oder sitze stickend vor dem Fernseher.
Was mich als "Hexe" zeichnet ist meine Einstellung und meine
Art und Weise zu handeln bzw. gewisse Lebenswege zu beschreiten. Man sagt
so schön "es hat dem Kind einen Namen gegeben" - übersetzt
bedeutet es, daß ich für meine Art zu leben endlich eine Begründung
sowie "Gleichgesinnte" erhalten habe. Mein Handeln ist sehr
intuitiv geprägt, manchmal weiß man einfach aus dem Bauch heraus,
was man tun muß, obwohl der Kopf etwas völlig anderes sagt.
Ich entscheide selber, was richtig und was
falsch ist - und bin bereit die Konsequenzen daraus zu tragen. Vor allem
aber versuche ich weitestgehend Schaden zu vermeiden - sinnlose Zerstörung,
Tiere quälen oder unnötig töten, Menschen absichtlich oder
unnötig verletzen (es soll nämlich nicht heißen, sich
niemals zu wehren). Und wenn ich in eine solche Zwangssituation gerate
versuche ich eben ganz bewußt, erstmal Alternativwege zu suchen
(wenn mich jemand verletzt reicht es z.B. manchmal schon, ihm einfach
aus dem Weg zu gehen, man muß nicht immer zurückschlagen).
Und zu guter Letzt glaube ich noch daran, daß es sowas wie eine
"Vorherbestimmung" gibt - daß es ganz bestimmte Dinge
im Leben gibt, die einfach passieren sollen. Nicht alles ist vorherbestimmt,
dann wäre das Leben wohl auch unnütz. Aber das besondere Schicksal
findet - wenn auch manchmal auf verwirrenden Umwegen - seinen Weg. Nicht
alles hat einen tieferen Sinn aber vieles, was uns sinnlos erscheint erfüllt
einen bestimmten Zweck.